Persönlichkeitsstile

Wie man sich selbst und anderen auf die Schliche kommt

Rainer Sachse

Inhalt

Rainer Sachse hat mit dem Buch „Persönlichkeitsstile“ laut Klappentext den Anspruch, wissenschaftlich fundiert die neun in der Psychologie bekannten Persönlichkeitsstile vorzustellen. In extremen Ausprägungen können diese Stile auch zu Störungen werden.

Die Einleitung startet mit einem Hinweis darauf, dass alle Menschen Persönlichkeitsstile aufweisen. Diese sind mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt, viele Menschen haben nicht nur genau einen Persönlichkeitsstil. Anschließend werden ein paar wesentliche Grundlagen gelegt: Wie funktionieren eigentlich Persönlichkeiten? Was ist Manipulation, und warum wenden wir sie alle an? Wie kann man besser mit sich selbst leben und umgehen, sich das Leben ein wenig erleichtern?

Bevor Sachse die neun Persönlichkeitsstile jeweils in einem Kapitel vorstellt, bietet er einen kleinen Selbsttest an. Damit kann der Leser prüfen, welche/n Persönlichkeitsstil/e er vermutlich am ehesten aufweist.

In der Vorstellung der einzelnen Persönlichkeitsstile verwendet er immer grundsätzlich die gleiche Struktur innerhalb der Kapitel.

Zunächst wird der Persönlichkeitsstil kurz beschrieben. Anschließend gibt es eine typische Biografie, aus der heraus ein solcher Stil entstanden sein kann. Danach wird beschrieben, welche Motive (andauernde Anliegen) üblicherweise in Bezug auf Beziehungen zu anderen Menschen entstehen. Daraus lassen sich Selbst- und Beziehungsschemata ableiten. (Ein Schema ist dabei gewissermaßen eine Art verinnerlichter Glaubenssatz, wie man sich selbst und Beziehungen allgemein sieht. Diese Schemata sind längst nicht immer rational und logisch. Sie können aber durch bestimmte Situationen oder Verhaltensweisen getriggert werden und übersteuern dann und unser rationales Denken und Fühlen.)

Um mit diesen Schemata umgehen zu können, entwickeln Menschen Regelwerke für sich selbst („Normen“) und für andere („Regeln“). Mit diesen können sie in ihrer persönlichen Erfahrungswelt umgehen. Diese ist für Außenstehende oft nicht zu durchschauen. Nachdem Normen und Regeln erläutert sind, werden die spezifischen Manipulationstechniken und weitere Besonderheiten der Stile erläutert.

In jedem Persönlichkeitsstil lassen sich Stärken und Schwächen erkennen. Gehen diese ins Extrem, richten sie mehr Schaden als positive Effekte an. Daher stellt Sachse für jeden Stil kurz die Ressourcen und Gewinne sowie die Kosten vor. Und schließlich gibt es zu jedem Stil noch Hinweise, wie man sich das Leben damit erleichtern kann – sofern man den Persönlichkeitsstil selbst aufweist oder eine Person, mit man interagiert.

Die neun Persönlichkeitsstile sind:

  • der narzisstische Persönlichkeitsstil
  • der histrionische Persönlichkeitsstil
  • der dependente Persönlichkeitsstil
  • der selbstunsichere Persönlichkeitsstil
  • der passiv-aggressive Persönlichkeitsstil
  • der schizoide Persönlichkeitsstil
  • der zwanghafte Persönlichkeitsstil
  • der paranoide Persönlichkeitsstil
  • der Borderline-Persönlichkeitsstil

Der Junfermann Verlag bietet eine Leseprobe an, in der auf den Seiten 16 und 17 Kurzbeschreibungen der Persönlichkeitsstile gegeben werden (externer Link). Hier gibt es übrigens auch den Schnelltest als PDF-Download.

In der Papier-Version des Buches befindet sich ein Code, mit dem man von der Webseite des Verlages eine eBook-Version herunterladen kann. Diese wird in verschiedenen Formaten angeboten (Kindle-, Tolino- und PC-tauglich – EPUB, MOBI, PDF).

Impulse

Dieses Buch bietet eine Übersicht über und einen Einstieg in die verschiedenen Persönlichkeitsstile. Jeder Stil wird vorgestellt inklusive möglicher Strategien, wie man mit ihm umgehen kann. Es hat für mich daher durchaus auch den Charakter eines Nachschlagewerkes. Und das bedeutet für mich persönlich, dass es mir schwerfällt, genau den einen inhaltlichen Impuls daraus mitzunehmen. Mir sind am ehesten die folgenden Punkte in Erinnerung geblieben:

  • Jeder Mensch weist einen oder mehrere Persönlichkeitsstile auf. Jeder bietet Vor- aber auch Nachteile. Zu allen gibt es Möglichkeiten des Umgangs.
  • Wir alle bilden Schemata aus. Wenn diese getriggert werden, können sie unser rationales Denken quasi abschalten. Dann fahren wir auf Autopilot und nicht immer in die Richtung, in die wir eigentlich wollen.
  • Erkenne also deine Schemata, bemerke deinen Autopiloten, und lerne, diesen abzuschalten oder zu übersteuern.

Bewertung und Kommentar

Auch bei diesem Buch fällt mir die Bewertung wieder nicht ganz leicht. Zum einen finde ich es toll, dass diese große Bandbreite von Persönlichkeitsstilen in einem Buch abgebildet ist. Jeder Stil kann in extremer Ausprägung massiv das Leben und das Glück der Betroffenen einschränken. Und Sachse gibt für alle auch Strategien und Ansätze, wie man jeweils konstruktiv damit umgehen kann.

Bei neun Persönlichkeitsstilen kann er dabei natürlich nicht voll in die Tiefe gehen. Auch die Handlungsempfehlungen sind in Stichpunkten gehalten und kratzen daher logischerweise nur an der Oberfläche. Aber der Leser erhält eine gute Orientierung.

Der Selbsttest, um sich selbst grob einzuordnen, erscheint mir von den Fragen her nicht besonders wissenschaftlich. Das ist aber wahrscheinlich auch gar nicht sein Anspruch. [Beispiel: Neben anderen soll die folgende Frage einen Indikator bieten, wie passiv-aggressiv ich bin: „Denken Sie manchmal, dass sogenannte Autoritätspersonen im Grunde gar nicht den Respekt verdienen, den sie bekommen?“ (S. 58). Wenn man das „manchmal“ wörtlich nimmt und sich die „Autoritätsperson“ selbst aussuchen darf, gibt es wahrscheinlich kaum jemanden auf der Welt, der dem nicht zustimmen könnte. Der Leser sollte hier also vermuten, wie die Frage wohl gemeint ist. Für mich – als offensichtlich leicht zwanghaften Typen – ist das nicht immer hilfreich. 😉 ]

Schwierig finde ich persönlich die Differenzierung zwischen „normalen“ Ausprägungen der Stile und den extremen. Denn die Stile werden häufig über die Persönlichkeitsstörungen beschrieben. Das hilft dem Verständnis ja grundsätzlich (die Nachrichten sind damit gewissermaßen „zur Kenntlichkeit entstellt“). Es erschwert mir aber den Übertrag.

Da alle neun Kapitel zur Vorstellung der Persönlichkeitsstile in der gleichen Struktur gehalten sind, fand ich das Lesen mitunter etwas mühsam. Zugegebenermaßen wüsste ich aber auch keinen besseren Weg. Was mir jedoch geholfen hätte, wären noch mehr anschauliche Beispiele aus der Praxis. Die wenigen Fallbeispiele, die Sachse nennt, finde ich sehr hilfreich und anschaulich.

Grundsätzlich halte ich den Schreibstil für gut lesbar. Viele Formulierungen sind leicht zu erfassen. Dass immer wieder Fachbegriffe genutzt werden, ist meiner Meinung nach der Thematik geschuldet und daher völlig in Ordnung. Man liest sich ein.

Außerordentlich anstrengend finde ich allerdings die Verwendung so vieler Abkürzungen. Sachse verwendet nicht nur viele zwar gebräuchliche, wohl aber unnötige Abkürzungen, wie beispielsweise „u.a.“, „u.Ä.“… Darüber hinaus kürzt er aber auch alle Persönlichkeitsstile ab. So wird aus dem narzisstischen Persönlichkeitsstil NAR. Allerdings wird auch aus dem Narzissten NAR. Das erschwerte mir das Lesen erheblich. Diese Begriffe sind für mich ja neu, und ich habe sie noch nicht in meinem aktiven Wortschatz. Ich musste daher beim Lesen diese Abkürzungen jedes Mal ganz bewusst lesen und gedanklich voll aussprechen, um die Sätze zu verstehen. Das wird meiner Meinung nach dem Anspruch nicht gerecht, hier ein Einführungswerk für die breite Öffentlichkeit und für fachfremde Personen bereitzustellen. Es fühlt sich eher an wie Bequemlichkeit zugunsten des Autors auf Kosten des Lesers.

Was ich mir noch gewünscht hätte, wäre eine kurze wissenschaftlich fundierte Herleitung oder Bestätigung der Validität des Ansatzes. Sprich: Die neun Persönlichkeitsstile fallen einfach so vom Himmel. Sachse gibt in seinem Literaturverzeichnis lediglich drei Quellen an, eine ist von Max Frisch (1964), eine ist von ihm selbst verfasst und eine weitere von Ödön von Horváth (1979), die für mich auch eher nach Literatur als nach Wissenschaft klingt. Ich muss als Leser also einfach darauf vertrauen, dass Rainer Sachse als Leiter des Instituts für Psychologische Psychotherapie, Bochum (externer Link), ein valides Modell anbietet. Den konkreten Nachweis bleibt er dem Leser aber schuldig.

Außerdem vermisse ich einen „Disclaimer“ in der Art: „Achtung, wenn Sie sich mit psychologischen Störungen befassen, fangen Sie an, diese überall zu entdecken – bei sich selbst und bei anderen. In der Regel sind Sie aber nicht betroffen!“ 😉

Mein Fazit ist also: lesenswert aufgrund des Inhalts, für mich aber eher ein Nachschlagewerk und dann bei Bedarf Ausgangspunkt für tiefergehende Recherchen. Eine Empfehlung würde ich also am ehesten für Leute aussprechen, die jemanden kennen, den sie nicht so recht verstehen und von dem sie nicht recht wissen, wie sie mit ihm umgehen sollen.

Eckdaten

TitelPersönlichkeitsstile
AutorenRainer Sachse
Erscheinungsjahr2019
ISBN978-3-95571-909-8
VerlagJunfermann Verlag, Paderborn
UmschlagJUNFERMANN Druck & Service GmbH & Co. KG, Paderborn

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